Personalentwicklung ist tot – es lebe…?!?
Was mich schon lange stört, da es nicht mehr zeitgemäß ist, ist die Bezeichnung „PERSONALENTWICKLUNG“ für unsere Arbeit. Schauen wir uns einmal gängige und sehr bekannte Definitionen des Begriffs an (und lassen außen vor, dass wir immer noch kein einheitliches Verständnis von PE haben):
„Als Personalentwicklung (PE) können alle durch ein Unternehmen durchgeführte, veranlasste oder finanzierte Maßnahmen bezeichnet werden, die auf die Erweiterung beziehungsweise Vertiefung bereits bestehender und/oder die Vermittlung neuer Qualifikationen angelegt sind und das Ziel verfolgen, Mitarbeiter aller hierarchischer Stufen für die Bewältigung gegenwärtiger und zukünftiger Aufgaben zu qualifizieren.“ (Jahrbuch Personalentwicklung)[1]
Nach Becker[2] versteht man unter Personalentwicklung „alle Maßnahmen der Bildung, der Förderung und der Organisationsentwicklung, die zielgerichtet, systematisch und methodisch geplant, realisiert und evaluiert werden“.
Was ich aus den Definitionen überspitzt lese, ist ein vom Unternehmen gesteuerter Maßnahmenkatalog, den Mitarbeiter absolvieren können/müssen: streng geplant, kontrolliert, systematisch und angebotsorientiert – initiiert von der Personalentwicklung aka dem Unternehmen. Doch das ist nicht mehr das Verständnis, das ich und viele Kollegen (z.B. von der Corporate Learning Community) von „Personalentwicklung“ haben. Personalentwicklung hat sich massiv verändert:
„PE“ wird zunehmend individueller, schneller und spezifischer, da die Mitarbeiter immer tiefere Expertise benötigen und die Veränderungen im Job immer massiver werden. Lernen wird zum Erfolgsfaktor für Mensch und Unternehmen. Massenangebote treffen dabei kaum noch den Bedarf. Die Individualisierung und somit Effizienzsteigerung von Lernen gelingt nur durch einen radikalen Paradigmenwechsel: Wir müssen uns von der angebotsorientierten Katalog-Denke lösen, da die PE im Zweifel gar nicht wissen kann, was ein Mitarbeiter zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt. Stattdessen tritt die Nachfrageorientierung in den Vordergrund – der Impuls entsteht also im operativen Geschäft und zwar meist mit hoher Dringlichkeit. Lernen wird kontextbezogener und agiler.
Dabei ändern sich auch die Rollen: Impulsgeber, Koordinator etc. ist der Mitarbeiter (in Absprache mit seiner Führungskraft) selbst. Die Personalentwicklung wird zum Ermöglicher, Unterstützer, Förderer – weniger zum Hauptakteur. Häufig bekommt die PE aber auch von der konkreten Personalentwicklung „on-the-job“ gar nichts mit. Sei es das informelle Lernen im Rahmen von Social Collaboration, das eLearning mit MOOCs, Youtube etc., der Besuch von Messen und Konferenzen….
Personalentwickler müssen jedoch keine Angst haben, dass sie arbeitslos werden. Der Job wird nur ein anderer.
Im Buch „Agiles Lernen“ haben wir vier Rollen für den moderneren Personalentwickler (oder die Personalentwicklerin) beschrieben.
Abbildung 1 Rollen der Personalentwicklung (Graf et al (2017) Agiles Lernen)
Es geht also mehr darum, die Rahmenbedingungen zu schaffen, Teams und Mitarbeiter zu beraten, Unternehmensstrategien in Kompetenzanforderungen zu übersetzen und zu kommunizieren und Inspirationen für neue Lernformate zu generieren.
Um diesen Wechsel von der überspitzt formulierten „Seminarverwaltung“ hin zu einem agilen Entwicklungsspezialisten auch kenntlich zu machen, braucht das Baby einen neuen Namen.
Und den suche ich schon seit zwei Jahren. Die meisten Unternehmen flüchten sich ins Englische mit „Learning & Development“ und „Talentmanagement“ kann missverstanden werden. Haben Sie eine Idee, was ein passender Name für die neue Rolle/Abteilung wäre?
Ich bin gespannt auf Ihre Vorschläge!
Ihre Nele Graf
[1] https://www.personalwirtschaft.de/produkte/hr-lexikon/detail/personalentwicklung.html
[2] Becker, Manfred (2011) Personalentwicklung: Bildung, Förderung und Organisationsentwicklung in Theorie und Praxis